Einen lang gehegten Traum erfüllt
Mit unserem Haus in der Straße Auf der Altstadt 46 haben wir uns einen lang gehegten Traum erfüllt. Als gebürtige Lüneburger fühlen wir uns schon seit Kindertagen besonders mit der Altstadt und ihren wunderschönen Häusern verbunden. Als wir im Jahr 2020 auf eine Immobilienanzeige stießen und das unscheinbare Haus mit seiner noch voll ausgestatteten Pokal- und Uhrmacherwerkstatt besichtigten, wussten wir sofort, dass wir hier einen kleinen Schatz entdeckt hatten. Eigentlich beworben als ein Wohn- und Geschäftshaus mit einem Baujahr um 1870, entdeckten wir im Zuge der Entkernung hinter 60iger-Jahre-Paneele und abgehängten Zimmerdecken historisches Mauerwerk und alte Eichenbalken.


Ein bauhistorisches Gutachten brachte dann Gewissheit, dass der gemauerte Rundbogen mit der Nische gegenüber der Küchenzeile die alte ‚Esse‘, also die Feuer- und Kochstelle, ist und tatsächlich aus dem Mittelalter stammt. Die dendrochronologische Untersuchung, bei der Proben aus den alten Eichenbalken genommen und dann die Struktur der Jahresringe analysiert wurden, bestätigte diese Annahme: Der verkohlte Balken über der Esse stammt zu 99,9% aus dem Jahr 1520. Die Proben der Entnahme können in der Ferienwohnung in dem alten Ladentresen in der Wohnung bestaunt werden. Die Probeentnahmestelle mit der Nummer 1 ist im Balken darüber mit einem gekennzeichneten Holzplättchen zu entdecken.
Der Kern des Hauses stammt zu 99,9% aus dem Jahr 1520
Weitere Erkenntnisse: Das Haus war ursprünglich einstöckig und wurde – typisch für die westliche Lüneburger Altstadt – vor allem von Handwerkern bewohnt. Seine späteren Eigentümer bauten das Haus im Laufe der Jahrhunderte immer wieder nach Ihren Bedürfnissen um und erweiterten es entsprechend. Der Flügelbau, in dem sich jetzt das Schlafzimmer der Ferienwohnung befindet, wurde zwischen 1820 und 1850 ergänzt. Die jeweiligen Eigentümer waren nicht zimperlich: Im 19. Jahrhundert wurde der alte Giebel abgebrochen und das alte Baumaterial zum Aufbau der Wände im neuen Obergeschoss als zweites Stockwerk zweitverwendet. So kommt es, dass man dort, im heutigen Wohnzimmer unserer Mieterin, im sichtbar belassenen Mauerwerk alte Tausteine, Formsteine und glasierte Ziegel findet.


Gleich beim Betreten des Hauses fallen im Hausflur und auch in Teilen der Ferienwohnung, die für ein Haus dieser kleinen Größe ungewöhnlichen Malereien auf. Diese umfangreiche Bemalung geht vermutlich darauf zurück, dass im 19. Jahrhundert in dem Haus ein Maler wohnte, der den Flur anscheinend als eine Art ‘Showroom’ für seine Kunden nutzte. Dafür spricht, dass der Restaurator hier mehrere übereinander gemalte Malereien aus der gleichen Zeit finden konnte.
Leider zeigte sich im Zuge der Entkernung allerdings auch, dass die Bausubstanz in einem deutlich schlechteren Zustand war, als wir erwartet hatten. Nur folgende Beispiele:
- Die Köpfe der Balken in der Erdgeschossdecke waren weggegammelt. Jahrelang war Feuchtigkeit in den Spalt zwischen den Häusern mit seiner Regenrinne aus Eiche eingedrungen. Neue (alte) Holzbalken mussten unter dem Obergeschoss zwischen die Bestandsbalken eingezogen werden.
- In den 1960ern hatte man für den Laden (das heutige Esszimmer) die Außenwand zum Nachbarhaus Nummer 47 entfernt – man brauchte wohl mehr Platz für den Laden mit seinen großen Vitrinen. Unsere Deckenbalken waren teilweise im Fachwerk des Nachbargebäudes eingeklinkt gewesen, hatten sich aber neben den Feuchtigkeitsproblemen auch durch die Senkungen in der Altstadt aus dem Mauerwerk gezogen. Durch die fehlende Wand war der Giebel damit nicht mehr mit dem Rest des Hauses verbunden und drohte während der Renovierung auf die Straße zu fallen. Dieser musste not-verankert werden – alle Balken wurden mit Drehsteifen abgefangen. Eine neue Wand wurde aufgemauert, in der nun der Giebel verankert und die Balken aufgelegt sind.


- Im Obergeschoss wurde der Dachboden geöffnet und in die Wohnung integriert, um eine offene, loftartige Atmosphäre zu schaffen. Um die Dämmung und den Trockenbau zu realisieren, musste das Dach – unter Erhaltung von alten Bestandsbalken – komplett erneuert werden.
- Das Haus hatte kein Fundament, Fundamente mussten nach und nach unter die Außenmauern eingebracht werde.
Der Fußbodenbelag war nicht erhaltenswert und wurde im Zuge der energetischen Sanierung entfernt (der alte Boden lag einfach auf feuchtem Sand). Für die neue Bodenplatte musste das alte Erdreich mehrere Zentimeter nach unten ausgekoffert werden. Es zeigte sich, dass das ursprünglich mehrstufige Bodenniveau aus Erde, Schutt und Abfällen aus dem Mittelalter bestand. Die Exponate im Bodenkasten zwischen Küchen- und Bodenbereich sind unsere Funde. Sie sehen einen Läusekamm, einen Fingerhut, Murmeln und Reste einer Pfeife und von Grapen (Kochtopf, der ins Feuer gestellt wurde) und die grün glasierten Scherben. Dies sind Reste alter Ofenkacheln eines Kachelofens, wie man sie im Mittelalter in den Häusern Lüneburgs verbaut hatte. Die Fliesen zeigen Motive von Adligen oder Szenen aus der Bibel, wie etwa ganz rechts die Grablegung Christi aus den Passsionsholzschnitten von Albrecht Dürer (Bild bei Wikipedia).


Wir haben fünf Jahre lang das Haus aufwändig und in enger Abstimmung mit der Denkmalschutzbehörde sanieren lassen. Heute ist es ein eingetragenes Einzeldenkmal. Bei der Einrichtung wollten wir Teile des Ladens und der Werkstatt einbinden, die wir vorgefunden haben. Daher haben wir uns auch wieder für den Einbau eines Schaufensters zur Straße entschieden und den alten Ladentisch aufgebaut. Vitrinen und Regale sind mit Fundstücken aus der Werkstatt und dem Laden ausgestattet. Sie sehen hier Uhren, Zubehör, Maschinen und Werkzeuge. In der Bausubstanz haben wir Altes bewahrt, aber eben – so wie die vorherigen Eigentümer auch – dort moderne Elemente ergänzt und einfließen lassen, wo sie benötigt wurden. Besonders stolz sind wir auf die Kombination des Sichtestrichbodens mit den alten Backsteinwänden. Das große Fenster zum Hof, stellt bewusst die Frage in den Raum, was hier wohl mal gewesen sein könnte: eine Tür, eine Durchfahrt oder ein Fenster? Es gibt hier keinen denkmalrechtlichen Befund. Sichtbare Stahlträger zeigen die erforderlichen statischen Ertüchtigungen. Die neue, handgefertigte Stahltreppe ins Obergeschoss ersetzte eine defekte Holztreppe. Das Haus ist jetzt energetisch saniert, statisch gesichert und verfügt über neue Leitungen und eine moderne Fußbodenheizung.
Für einen kleinen Teil unserer Bau- und Sanierungskosten haben wir Förderung erhalten. Wir bedanken uns beim
- Arbeitskreis Lüneburger Altstadt e.V. für die Überlassung der historischen Haustür sowie die Gewährung des Zuschuss für die Aufarbeitung der Fassade und der Haustür
- Hansestadt Lüneburg – Klimafonds Energetische Sanierung
- KfW: Zuschuss aus der BEG-Wohngebäudeförderung, diesen Zuschuss hat der Bund aus Mitteln der Aufbau und Resilienzfazilität (ARF) der Europäischen Union, NextGenerationEU, finanziert.
